Darauf machen die Pharmazeuten am 14. Juni per Protesttag aufmerksam: Viele Apotheken bleiben an diesem Tag bundesweit geschlossen. Wie der Apothekensprecher für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen Christopher Hummel bestätigt, ist das auch hier in der Region so. Nach Rücksprache mit Kollegen geht er davon aus, „dass es nahezu alle sein werden“. Die Arzneimittelversorgung bleibt aufrechterhalten – allerdings nur über die jeweiligen Notdienstapotheken.
Mit dem Protesttag am 14. Juni reagiert die Apothekerschaft deutschlandweit auf gesundheitspolitische Entscheidungen. „Für unseren Berufsstand steht fest: Die Bundesregierung hat diesen Protesttag provoziert“, erklärt die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening. Da die Regierung Probleme der öffentlichen Apotheken übergehe, destabilisiere sich die Arzneimittelversorgung im Land. „Seit Monaten weisen wir auf die brisante Lage hin.“
Christopher Hummel konkretisiert: Ein Punkt sei die Entlohnung, denn seit zehn Jahren pochen die Apotheker auf eine Honoraranpassung. Mit Blick auf die Inflation: „Alles wird teurer, so kann es nicht weitergehen“, betont der Apotheken-Sprecher im Landkreis.
Gestiegen ist auch der Abschlag für Apotheken. Seit Februar werden diese stärker zur Kasse gebeten. Und zwar durch die Rabattregelung für gesetzliche Krankenkassen, die im neuen Gesetz zur finanziellen Stabilisierung dieser verankert wurde, um das Defizit im Gesundheitswesen nach zwei Corona-Jahren zu entlasten. „Wir wollen eine Lohnerhöhung, haben aber Mehrkosten durch den Abschlag bekommen“, sagt Hummel. In Summe ist diese von 1,77 auf 2 Euro pro rezeptpflichtiger Packung gestiegen. Im deutschlandweiten Schnitt bedeute dies für eine Apotheke einen Verlust von rund 6.000 Euro im Jahr.
Der Verlierer ist der Patient
Belastend ist laut Hummel auch die Bürokratisierung vonseiten der Politik und Krankenkassen. So müssen teurere Medikamente und Verbandsmaterial wie Bandagen, „obwohl sie der Arzt verordnet hat“, erst individuell von der Krankenkasse bewilligt werden. „Das ist extrem zeitraubend und der Verlierer ist der Patient.“ Auch gibt es müßige Vorschriften, wie eine Apotheke ausgestattet sein muss. Die Maßnahmen schreiben etwa die Raumgröße und Innentemperatur vor, „die jedes Jahr kontrolliert werden“.
Angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen würden sich immer weniger junge Pharmazeuten mit einer eigenen Apotheke selbständig machen, betont Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. Außerdem werde es zunehmend schwieriger, Fachpersonal zu finden, da die Einnahmestruktur ein leistungsgerechtes Gehalt erschweren würde.
„Jeden Tag schließen ein bis zwei Apotheken in Deutschland“, erklärt Hummel. Gab es in der Bundesrepublik vor einigen Jahren noch um die 22.000, sind es heutzutage unter 18.000. „Das ist besorgniserregend“, betont er.
Weniger im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, hier sei man noch gut aufgestellt. Aber Hummel, der die Michaeli-Apotheke in Gaißach und in Bad Heilbrunn die Kur-Apotheke betreibt, weiß von vielen Kollegen, die ihre gerne an die jüngere Generation übergeben wollen, „aber keinen Nachfolger finden“. Auch hier befürchtet er: „Die Apothekenlandschaft wird sich drastisch verändern.“
Gerade in Zeiten von Lieferengpässen ein bedrohliches Szenario. „Die Apothekenteams retten jeden Tag Leben, in dem sie alternative Präparate für nicht verfügbare Arzneimittel beschaffen“, sagt Overwiening und weiter: „Anstatt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln über Apotheken vor Ort zu stabilisieren, wird sie geschwächt. Darauf müssen wir aufmerksam machen.“
Siehe Experten-Interview: Zwei Pharmazeuten berichten über die Lieferengpässe bei Medikamenten