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Gelebtes Beispiel gelungener Integration und Toleranz

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Vor rund 60 Jahren war es soweit: Am 1. April 1950 wurden die Gebietsteile der Gemeinden Gelting, Königsdorf, Osterhofen, Egertshausen und des Staatsforstbezirks Wolfratshausen zusammengefasst und die neue Gemeinde Geretsried aus der Taufe gehoben. Und als 60. Gemeinde in Bayern seit Ende des Zweiten Weltkriegs nahm Geretsried am 1. April 1970 die Urkunde zur Stadterhebung entgegen. Mit einem großen Festakt würdigte die Stadt am vergangenen Donnerstag dieses Doppeljubiläum – 60 Jahre Gemeindegründung und 40 Jahre Stadterhebung. Aus diesem Anlass versammelte sich nicht nur die kommunalpolitische Prominenz in den Ratsstuben. Eigens zum Festakt kam auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Er hielt die Festrede zum Thema „Die Bedeutung der Vertriebenenstädte für die Entwicklung Bayerns vom Agrar- zum Industriestaat“ und trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein. Anschließend wurden noch verdiente Geretsrieder Persönlichkeiten aus den Bereichen Kultur, Sport, Soziales und Gesellschaft mit Ehrenurkunden und -nadeln ausgezeichnet

. Der Ratsstubensaal war voll gefüllt, als Bürgermeisterin Cornelia Irmer in ihrer Eröffnungsrede gegenüber den Gästen die „rasante Entwicklung der noch jungen Stadt Geretsried“ schilderte. Bei ihrem Extrakt aus der Stadtgeschichte erinnnerte sie eingangs an die Ankunft der ersten Waggons mit Heimatvertriebenen am 7. April 1946, die auf der Böhmwiese ihre Endstation fanden – den so genannten Graslitzer Transporten. Irmer hofft, „dass all diejenigen, die damals ihre Heimat verlassen mussten, trotz Schicksalsschlägen und Demütigungen durch die Vertreibung und Flucht, in Geretsried eine neue Heimat gefunden haben, die ihnen ans Herz gewachsen ist.“ Mit dieser Ankunft endete eine leidvolle Ära der noch jungen Stadt – die Epoche nämlich, in der die Deutsche Sprengchemie und Dynamit AG tödliches Material zur Kriefgsführung wie Sprengkapseln oder Granaten für die Kriegsmaschinerie der Nationalsozialisten fertigten. An die Zeitzeugen richtete die Rathauschefin die Worte: „Es ist mir ein Erlebnis, diesen Menschen zu begegnen.“ Als Signal der Treue zur Stadt wertete Irmer auch deren Kommen an diesem historischen Tag. So würdigte sie die menschliche Leistung der Einquartierung der Vertriebenen in den Wirren der Nachkriegsjahre. Diese Herausforderung ab April 1946 sei hervorragend gelungen, insbesondere in Gelting, wo zunächst jährlich bis zu 400 Neubürger vezeichnet wurden. „Dafür dürfen wir auch heute noch dankbar sein“, lobte Irmer diese beipielslose Humanität. Trotz der äußerst problematischen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in den Gründerjahren stellte die Bürgermeisterin neben vielen anderen Tugenden vor allem den „unglaublichen Unternehmergeist“ der Heimatvertriebenen heraus. Stellvertretend für die wirtschaftliche Aufbauleistung nannte sie die Geretsrieder Firma Rudolf, die „nach wie vor zu den größten Arbeitgebern“ zählt. Vetriebenenstädte als Motor für die Entwicklung Bayerns In seiner Festrede „Die Bedeutung der Vertriebenenstädte für die Enwicklung Bayerns vom Agrar- zum Industriestaat“ beschrieb der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann Geretsried als eine „Erfolgsgeschichte gelebter Integration und Toleranz“. Sinnbildhaft attestierte er ehemaligen Vertriebenenstädten, dass sie Nährboden und Keimzelle für die umfassende Modernisierung und Industrialisierung Bayerns nach dem Zweiten Weltkrieg seien. „Durch ihr handwerkliches Können, ihr gewerblich und industriell geprägtes Know-How, Eigenverantwortung, Disziplin und Willensstärke begannen die Heimatvertriebenen, ein Gemeinwesen und eine Zukunft aufzubauen“, so Herrmann weiter. „Aber nicht nur die fachlichen Fähigkeiten machten die Flüchlinge zum Motor der bayerischen Wirtschaft – es waren vor allem auch die moralischen Überzeugungen.“ So schrieb er Geretsried eine „kurze, aber eindrucksvolle Geschichte“ zu. Abschließend trug sich Innenminister Herrmann noch ins Goldene Buch der Stadt ein. Integrationsleitung mit Seltenheitswert „Geretsried vollbrachte in der kurzen Geschichte Leistungen, für die andere Städte Jahrhunderte brauchen.“ Mit diesen Worten würdigte Landrat Josef Niedermaier die Integrationsleistung der Stadt bis zum heutigen Zeitpunkt. Er sehe Geretsried als „Motor des Landkreises im wirtschaftlichen Bereich“. Gerade das Jugendliche solle sich die Stadt bewahren. Niedermaier: „Der Landkreis ist stolz auf seine größte Stadt.“ Den Worten des Landrats schloss sich auch Michael Sedlmair vom Bayerischen Städtetag an: „Geretsried hat eine blühende Zukunft vor sich.“ Die Einquartierungen und Ansiedlungen von einst nannte er eine der „größten Friedensleistungen der Bundesrepublik Deutschland“ in der Nachkriegszeit. Auch Franz Parzinger, Bürgermeister der Schwesternstadt Traunreut, der in seinem Grußwort stellvertretend für die Städte Neutraubling und Waldkraiburg sprach, lobte das „blühende“ Gemeinwohl der Stadt. Sie könne stolz auf ihre Offenheit sein. Als Dank überreichten sich die Vertreter der Vertriebenen-Städte Geretsried, Neutraubling und Waldkraiburg die jeweiligen Stadtwappen. Rathauschefin Irmer kündigte bereits an, die Stadtembleme im Rathausfoyer als „Zeichen der Verbundenheit“ aufzuhängen. Abschließend fand Irmer bezeichnende Worte und blickte über die Stadtgrenzen hinaus: „Integration funktioniert auf kommunaler Ebene. Die Herausforderung besteht darin, die Integration auf die europäische Bühne weiterzugeben.“

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