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Radler müssen draußen bleiben

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Inzwischen wieder verschwunden: das Schild, das Radfahren in der Fußgängerzone erlaubte. © Bock

Bad Tölz – Das Thema Radfahren in der Innenstadt ist kaum für alle Seiten befriedigend zu lösen. Der Stadtentwicklungsausschuss des Stadtrates beschloss, den Probelauf fürs Radeln durch die Fußgängerzone Marktstraße zu beenden.

Zugleich bleibt das Radfahren entgegen der Fahrtrichtung an der Hindenburgstraße und an der oberen Marktstraße zwischen Winzerer Denkmal und Schlossplatz erlaubt.

Zwischen Tölzer Kurier und Winzerer Denkmal war in den vergangenen Monaten Radfahren probeweise zugelassen worden, nachdem die Grünen im Stadtrat einen Antrag gestellt hatten. Zahlreiche Umfragen bei Bürgern ließen erkennen, dass damit mehr Probleme geschaffen als gelöst wurden. Stadträtin Margot Kirste (FWG) brauchte es durch die Formulierung „gefühlte Gefährdung“ auf den Punkt.  Fußgänger, speziell Alte, Behinderte und Kinder, würden, so waren sich mehrere Stadträte in der zum Teil recht emotional geführten Debatte einig, durch bergab fahrende, rücksichtlose Radfahrer gefährdet. Dem gegenüber entstünde durch die Freigabe des Fußgängerbereichs zum Fahren kein Vorteil, wie Bürgermeister Josef Janker (CSU) ausführte, denn in einer Fußgängerzone sei nur Schritt-Tempo erlaubt. Und ob man mit acht km/h bergauf fahre oder mit sechs km/h schiebe, das bringe auch für Schulkinder keinen nennenswerten Zeitgewinn – für die Passanten dagegen eine Gefahr, weil eben die meisten Radfahrer weit schneller als erlaubt unterwegs sind.

Arbeitskreis Radeln-Mitglied Camilla Plöckl (SPD) meinte, als gewählter Stadtrat habe man „den Willen des Bürgers zu vertreten“, und der habe sich klar gegen das Radfahren ausgesprochen. Auch Kirste sah die Notwendigkeit, die Schwachen zu schützen. „Man muss die gefühlte Gefährdung ernst nehmen“ sagte sie, dabei darauf anspielend, dass während des Probebetriebs kein einziger Unfall polizeilich gemeldet wurde. Andererseits sei festzustellen, dass sich zu viele Autos im Fußgängerbereich aufhalten. Dies müsste besser kontrolliert werden. Willi Streicher (SPD), der selbst als Radfahrer täglich zwischen Wohnung und Arbeitsplatz unterwegs ist, plädierte dafür, die Schüler, die morgens durch die Fußgängerzone fahren, „zu dulden“, worin der CSU-Ortsvorsitzende Ingo Mehner jun. keinen Sinn sah. Da im Fußgängerbereich ohnehin nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt sei, könne er keinen Vorteil des Fahrens gegenüber dem Schieben erkennen.

Ganz anderer Meinung war Grünen-Stadtrat Franz Mayer, der konstatierte, dass „der Probebetrieb nichts Negatives gebracht“ habe. Wenn Schulkinder in der Nockhergasse gegen die Fahrtrichtung unterwegs seien, sei das weit gefährlicher als in der Marktstraße, auch wenn dort Lieferverkehr herrsche. An Bürgermeister Janker – der erst unlängst in Erlangen den Beitritt der Stadt zu den Fahrradfreundlichen Kommunen Bayerns unterzeichnet hatte - appellierte er, „für die einen und die anderen eine Brücke zu bauen“. Er hätte sich einen Kompromiss gewünscht.  Mayer: Das Fahrverbot wird von vielen Radfahrern nicht akzeptiert werden, zumal es nicht kontrolliert wird.“ Janker verwies auf die Gefährdung durch rasende Radler und machte sich Mehners Meinung zu Eigen: „Ob sechs oder acht km/h, das macht keinen Unterschied.“ Sepp Gerg (CSU) meinte: „Schieben ist am sichersten“, bezeichnete zugleich die Aussagen von Streicher und Mayer als „Unverschämtheit“. Gegen die Stimmen von Mayer und seiner Grünen-Fraktionskollegin Andrea Grundhuber stimmte die Mehrheit dann für die Beendigung des Probelaufs. Die Konsequenz: die Schilder „Radfahren frei“ werden abmontiert.

Ein Herz für Radfahrer hatte der Ausschuss aber gleich anschließend, als es ums Radfahren in der Hindenburgstraße zwischen Mühlgasse und Winzerer Denkmal ging. Hier darf weiterhin gegen die allgemeine Fahrtrichtung gestrampelt werden. Eine eigene Radspur im Einbahnstraßenbereich  wird nicht abmarkiert, die Tempo-20-Zone aber bis zur Einmündung Mühlgasse verlängert. Zudem kündigte der Bürgermeister Verkehrskontrollen gegen Raser in diesen Bereich an. Auch zwischen Winzerer Denkmal und dem Khanturm darf auf der Einbahnstraße weiter aufwärts gegen die Fahrtrichtung geradelt werden. Hier wird auf eine Abmarkierung einer Radspur verzichtet, die auf dem Pflaster ohnehin schwer anzubringen gewesen wäre. Die ganze Regelung bezeichnete CSU-Stadtrat Karl Drexl, ehemaliger Polizist, als „unglücklich“, jede andere Regelung aber als „noch unglücklicher“. Hier waren sich die Räte pro Radler einig, alle stimmten dafür.  bo

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Ingo Mehner ist zu beneiden. Als Jurist darf er sich auf Paragrafen berufen und sagen: In Fußgängerzonen ist Radfahren (wenn schon) nur mit Schritt-Tempo erlaubt. Dann kann man gleich schieben, das ist auch nicht viel langsamer. Die Realität sieht anders aus: Radfahrer sind meistens schneller – auch bergauf. Deshalb ist es legitim vom Tölzer Stadtrat, den Probelauf zu beenden und das Radeln im Fußgängerbereich Marktstraße  wieder zu verbieten, schließlich will man die Schwachen – Kinder, Alte, Behinderte – schützen. Das bedeutet aber auch, dass viele Schüler in der Früh wieder in der Nockhergasse verbotswidrig unterwegs sein werden, aus Angst, dass oben am Winzerer Denkmal ein Polizist steht und zehn Euro kassiert. Bürgermeister Josef Janker, der gerne die Fahrradfreundlichkeit der Tölzerstadt betont, verschanzte sich am Donnerstag hinter juristischen Spitzfindigkeiten, als er von Franz Mayer (Grüne) aufgefordert wurde, einen Kompromiss zu finden. Dass zugleich Radfahren in den angrenzenden Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung (!) erlaubt bleibt, mutet in diesem Zusammenhang irgendwie seltsam an.   Karl Bock

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