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Tölzer Land: Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen haben zugenommen

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Von: Franca Winkler

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Ein Mädchen sitzt weinend am Boden
Psychische Erkrankungen haben während der Corona-Pandemie zugenommen. (Symbolbild) © panthermedia/HayDimitriy

Landkreis – Die Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen haben während der Corona-Pandemie in Bayern laut DAK einen neuen Höchststand erreicht.

Das Niveau lag mit rund 2,4 Fehltagen pro Kopf um 50 Prozent über dem von vor zehn Jahren. Ein psychischer Krankschreibungsfall dauerte im vergangenen Jahr durchschnittlich 38,7 Tage. Dennoch blieb der Freistaat auch 2021 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (rund 2,8 Fehltage pro Kopf). Das geht aus dem aktuellen „Psychreport“ der DAK-Gesundheit hervor, das die Daten von rund 351.000 DAK-versicherten Erwerbstätigen in Bayern betrachtet.

Von einer Zunahme von Anfragen nach psychiatrischer, psychotherapeutischer oder psychosomatischer Diagnostik und Behandlung im vergangenen Jahr berichtet auch Professor Frank-Gerald Pajonk vom Zentrum Isartal in Schäftlarn. „Gleichzeitig verzögerte sich der Behandlungsverlauf vieler Patienten, die sich bereits in Behandlung befanden, durch die Covid-Pandemie.“ Deshalb haben die Wartezeiten auf einen ambulanten, tagesklinischen oder stationären Aufenthalt zugenommen.

„Unser Report zeigt, dass viele Menschen mit psychischen Erkrankungen besonders unter den anhaltenden Belastungen der Pandemie leiden“, sagt Sophie Schwab, Leiterin der DAK-Landesvertretung in Bayern. „Die Betroffenen finden schwer wieder in ihren Berufsalltag zurück.“

Das habe auch mit den besonderen Arbeitsbedingungen unter Corona zu tun. „Deshalb müssen wir in der Arbeitswelt noch mehr tun, damit psychische Probleme nicht tabuisiert werden. Betroffene Mitarbeitende müssen bei der Wiedereingliederung aktiv unterstützt und nach ihrer Leistungsfähigkeit eingesetzt werden“, betont Schwab. Das psychische Erkrankungen weiterhin ein Tabuthema in unserer Gesellschaft bleiben, berichtet auch der Tölzer Psychotherapeut Andreas Schaumberg.

Öffentliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter sei weit verbreitet. Schaumberg weist darauf hin, dass eine zusätzliche Selbst-Stigmatisierung dafür sorgt, „dass die Betroffenen ihrer Erkrankung gegenüber negativ eingestellt sind, Scham- und Schuldgefühle empfinden und sich scheuen, über ihre Krankheit zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen“.

Wenig ambulante Plätze

Besonders auffällig ist laut „Psychreport“ der DAK-Gesundheit die Entwicklung bei den weiblichen Beschäftigten. Zwar haben Frauen in der Arbeitswelt seit Jahren generell mehr Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen als Männer.

Doch für die Pandemie zeigt der „Psychreport“ bei Arbeitnehmerinnen ab 55 Jahren die mit Abstand höchsten Steigerungsraten unter allen Beschäftigten an. Bei den 55- bis 59-Jährigen ist die Anzahl der Fehltage 2021 im Vergleich zu 2019 um 21 Prozent angestiegen, bei den über 60-Jährigen sogar um 37 Prozent.

Im Zentrum Isartal liege der Schwerpunkt der Patienten in der Gruppe der 40 bis 60-jährigen Patienten. „Gerade im letzten Jahr hat aber auch der Anteil der jungen Erwachsenen deutlich zugenommen“, teilt Professor Frank-Gerald Pajonk, vom Zentrum Isartal in Schäftlarn mit. „Die häufigsten Gründe für den Besuch unserer Tagesklinik und Ambulanz sind Erschöpfungssymptome, Angst, depressive Verstimmungen, Lebenskrisen oder traumatische Erfahrungen.“

Die mit Abstand meisten psychischen Fehltage verursachen Depressionen (9,4 Fehltage pro Kopf). An zweiter Stelle folgen die sogenannten Anpassungsstörungen, die unter Pandemie-Bedingungen stark an Bedeutung gewinnen. Die Anzahl der Fehltage wegen dieser Diagnose ist seit 2019 um fast ein Viertel angestiegen – auf 5,6 Fehltage pro Kopf.

Mit Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis gemeint – zum Beispiel einen Trauerfall, eine Trennung oder eine schwere Erkrankung. Die Ausfallzeiten wegen neurotischer Störungen wie Ermüdungssyndrom und Konzentrationsschwäche stiegen um 41 Prozent auf 2,8 Fehltage pro Kopf.

Versorgung: unzureichend

Der in Bad Tölz praktizierende Psychotherapeut Andreas Schaumberg berichtet: „Leider stelle auch ich in meiner Praxis in Bad Tölz fest, dass seit Jahren immer mehr Menschen aufgrund psychischer Probleme oder psychischer Erkrankungen professionelle Hilfe und Therapie in Anspruch nehmen müssen, aber aufgrund der unzureichenden Versorgungssituation leider nicht immer und zeitnah in Anspruch nehmen können.“ Somit bleibe die Lebensqualität für Betroffene und deren Angehörige tragischerweise in hohem Maße beeinträchtigt.

Von Wartezeiten für eine ambulante Behandlung berichtet auch Pajonk. „In die Tagesklinik können wir Patienten noch sofort aufnehmen. Wir bemühen uns, flexible Lösungen für unsere Patienten zu finden, sodass wir ihnen so schnell wie möglich helfen können“, betont Pajonk.

Offener Umgang Diagnose gewünscht

Der Psychreport Bayern weist deutliche Unterschiede in den Branchen nach: Während im Gesundheitswesen pro Kopf und Jahr durchschnittlich 3,4 Fehltage mit einer psychischen Diagnose anfallen, sind es im Baugewerbe lediglich 1,2 Tage. „Wir werben für einen offeneren Umgang mit psychischen Belastungen, gerade in stark belasteten Branchen. Unser „Psychreport“ kann dafür wertvolle Hinweise liefern“, sagt Sophie Schwab.

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