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Kochel – Auf diesen Preis kann die Gemeinde Kochel wohl gut verzichten: Sie bekommt wegen des Verstärkeramt-Abbruchs vom Verband Deutscher Kunsthistoriker die „Goldene Abrissbrine 2020“ verliehen.
Der in Bonn sitzende Verband wurde 1948 aus der Taufe gehoben, erst im Dezember 2019 startete er mit seiner „Roten Liste“. Mit dieser will er auf nach eigener Aussage auf „Denkmalgefährdungen aller Art“ aufmerksam machen. Die Gemeinde Kochel hat es mit dem Abriss des denkmalgeschützten Verstärkeramts und dem geplanten Neubau unter von kommunalen Wohnungen, Bauhof und vereinsräumen (Rundschau berichtete) heuer im Juni auch darauf geschafft. Die Gemeinde ist sogar Vorreiter: Sie erhält für ihr Vorhaben die heuer erstmals verliehen „Goldene Abrissbirne“ für ihr Vorhaben.
„Bedeutendes Zeugnis“
Das ehemalige Verstärkeramt „ist ein bedeutendes Zeugnis der frühen Moderne in Bayern“, heißt es zur Begründung. „Seit September 2018 ist es ein geschütztes Baudenkmal.“ Doch das Denkmal „steht Neubauplänen der Gemeinde im Weg“, schreibt der Verband. Und weiter: „Einmal mehr stellt sich die Frage, warum eine an sich begrüßenswerte Weiterentwicklung nicht vom Denkmalbestand aus konzipiert wurde.“ Der Verband würdigt „das bemerkenswerte bürgerschaftliche Engagement“, das vor einer Petition an den Bayerischen Landtag und einer Popularklage nicht zurückgescheut habe. Dafür hatte sich der Weilheimer Architekt Heiko Folkerts in vorderster Front eingereiht. „Doch haben alle Argumente und Diskussionen zugunsten des Denkmals am Ende nicht verhindern können, dass die Klage abgewiesen wurde“, musste der Verband erkennen. In Bonn bedauert man den „bald bevorstehenden Totalverlust eines Gebäudes, dessen historische Bedeutung und Potentiale nicht als Chance erkannt wurden“.
„Wir haben mit dem Projekt noch gar nicht richtig angefangen und schon einen Preis gewonnen – das soll uns erst mal einer nachmachen“
Im Kochler Rathaus schwankt der Bürgermeister zwischen Humor und ärgerlichem Stirnrunzeln. Die E-Mail des Verbands hatte ihn am vergangenen Freitag erreicht. „Wir haben mit dem Projekt noch gar nicht richtig angefangen und schon einen Preis gewonnen – das soll uns erst mal einer nachmachen“, heißt es in seiner am Sonntagvormittag eiligst verschickten Pressemitteilung. Im Kern hält der Rathauschef die Verleihung allerdings für „äußerst unseriös“. Holz: „Wenn sich dieser Verband wirklich ernsthaft mit dem Projekt zum ehemaligen Verstärkeramt hätte auseinandersetzen wollen, wäre es das Mindeste gewesen, sich mit der Gemeinde in Verbindung zu setzen und sich über die wahren Hintergründe zum Projekt zu informieren.“
Kritik an Verband
Der Bürgermeister kritisiert „lückenhafte und falsche Darstellungen“ des Verbands. Und verweist zum wiederholten Mal auf die bestandskräftige Erlaubnis zum Abriss und eine „höchst- richterliche Entscheidung“ zum Bebauungsplan „und damit zum Neubau“.
Klare Aussage: Man werde die „für die Gemeinde so wichtigen Pläne“ weiter konsequent umsetzen. Eines weiß Holz auch: Die Auszeichnung, wenn es denn außer dem bisherigen Mail-Schreiben noch was geben sollte, wird sicher keinen Platz im Rathaus finden, wie er gegenüber der Rundschau bestätigt: „Da ist der Platz an der Wand zu schade.“ Andreas Baar