Antdorf wird zu Artdorf

Antdorf – Kunst zu verstehen, ist nicht immer ein Spaziergang. Doch vielleicht ermöglicht ein wortwörtlicher Spaziergang durch die Kunst einen leichteren Zugang zu abstrakten Zeichnungen und pointillistischen Gemälden. Das konnte man nun in Antdorf herausfinden, das an einem Tag zu Artdorf wurde.
Ein Buchstabe nur, der den Ortsnamen veränderte, aber sogleich programmatische Wirkung entfaltete: Aus Antdorf wurde einen Nachmittag lang Artdorf, das Dorf der Kunst gewissermaßen. Und in der Tat ist es verblüffend, wie viele kreative Geister hier auf engstem Raum vereint sind. Der Lebenskunst Kulturverein hatte bereits zum dritten Mal zu einem Kunstspaziergang eingeladen und dafür gesorgt, dass sich an diesem Tag acht Ateliers für die Besucher öffneten.
Wer in der um diese Jahreszeit recht früh einsetzenden Dämmerung durch Antdorf streifte, brauchte nicht lange zu suchen, um die offenen Ateliers zu finden: Leuchtende Laternen wiesen schon von weitem den Weg. Etwa zu Doris Reichel, die erst kürzlich aus Iffeldorf herübergezogen ist und angesichts ihrer Bilder ganz schön was zu tun hatte. Denn bei ihren Bildern handelt es sich um Zentaugles, abstrakte Zeichnungen voller geometrischer Muster und Paint-Zero-Paintings, worunter man das prozesshafte Malen als besondere Methode der Selbsterkundung versteht, wobei der Künstler ausschließlich seiner Intuition folgt. Das Interesse an ihrer Arbeit war jedenfalls groß. „Ich bin überrascht, wie viele Besucher hierher kommen“, freute sich Reichel. Den großen Andrang hatte sie aber auch Lisa Fitzek und ihrem Bruder Moritz zu verdanken, die im Untergeschoß des alten Bauernhauses erfrischend musizierten und damit zugleich den Weg nach oben, ins Atelier, wiesen.
Wenige Meter entfernt bat Franz Kuen in sein liebevoll restauriertes altes Bauernhaus. Im ehemaligen Kuhstall findet sich sein Atelier – und hier berichtete der Maler auch über sein Schaffen, das unter anderem davon geprägt ist, dass er in seinen Bildern immer wieder Zitate aus der Kunstgeschichte aufgreift. Auch einzelne Fragmente berühmter Gemälde finden sich in seinen Werken wieder, etwa in der Objektcollage nach dem berühmten Gemälde „Grablegung Christi“ von Michelangelo Merisi da Caravaggio. Und besonders beeindruckend bei Franz Kuen: das kleine Salettl im Garten, in dem der Künstler jene Insekten samt lateinischer Begrifflichkeiten an die Wände gemalt hat, die er in seinem Garten finden kann. „Jetzt werden‘s immer mehr“, sagte Kuen und meinte damit aber nicht die Insekten, sondern den steten Strom an Besuchern, die bei ihm hereindrückten. Darunter befand sich auch Hans Huber aus Beuerberg, der ganz begeistert war von diesem Artdorf: „Man geht ein paar Schritte und steht schon vor dem nächsten Atelier. Diese Konzentration von Kunst auf engstem Raum macht den Reiz hier aus.“
Übertrieben hat er damit nicht, denn alleine im Pfaderer-Haus gab es viel zu entdecken: Bernd, Monika und Christiane Fleißner gaben hier Einblick in ihr Schaffen. Bernd Fleißner zeigte dabei auch seine neueste Arbeit, die noch nicht einmal ganz abgeschlossen ist. Im Zentrum steht dabei das „Chinesengedicht“ des Schriftstellers Ernst Penzoldt. „Der Titel diente der Tarnung vor den kritischen Augen des NS-Regimes“, erklärte Meißner und erläuterte einem interessierten Publikum sein Aquarell mit Deckweiß und Guache. Fleißner hatte Freude an dem Besucherinteresse, „ich habe hier viele gute Gespräche geführt“, sagte er. Und: „Die Leute lieben das Erzählerische.“ Genau das findet sich ohnehin in den detailreichen Zeichnungen und Gemälden von Bernd Fleißner.
Doch gab es noch viel mehr zu entdecken an diesem Nachmittag. Dazu zählten die Bilder von Heinz Kreutz, die dessen Witwe zeigten, die Lichtinstallationen von Michael Fitzek oder Sandra Bertholds Landschaftsbilder. Insgesamt ein erfrischender, erlebnisreicher Spaziergang, der sich zwar auf kleinem Raum abspielte, aber großen Raum für Erkundungen bot. arr