Anne Will: Wagenknecht schimpft auf Corona-Lockerungen - „Ich kann niemandem erklären ...“

Sind die Corona-Maßnahmen in Deutschland verhältnismäßig? Diese heikle Frage debattierte am Sonntag Anne Will. An Warnungen und Mahnungen mangelte es nicht.
- Bei Anne Will (ARD) ist auch an diesem Sonntag (16. Mai) das Coronavirus Thema.
- Unter anderem Karl Lauterbach (SPD) und Sahra Wagenknecht (Linke) debattieren die Verhältnismäßigkeit der Schutzmaßnahmen.
- Hier finden Sie die grundlegenden Fakten zum Coronavirus* und die Corona-News aus Deutschland. Außerdem bieten wir Ihnen in einer Karte die aktuellen Fallzahlen in Deutschland*. Derzeit gibt es die folgenden Empfehlungen zu Corona-Schutzmaßnahmen*.
Update 22.50 Uhr: Die Corona-Demonstrationen in Deutschland beunruhigen den Verfassungsschutz - und stellen die Maßnahmen infrage, die nach Meinung vieler Forscher und Politiker den bislang glimpflichen Ausgang der Corona-Pandemie in der Bundesrepublik ermöglicht haben. Wie damit umgehen? Die Frage wollte Anne Will am Sonntagabend in ihrem TV-Talk klären.
Anne Will (ARD) zu Corona: „Pauschalverurteilung“? Neue Forderungen an die Politik
Herauszukristallisieren schien sich eine Gratwanderung für die Politik. Nötig sei „ein differenzierter Diskurs, einen Abschied von dieser Pauschalverurteilung“, sagte einerseits der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Man dürfe Menschen nicht „desavourieren“, die um ihre Existenz bangen und auf die Straße gehen. Die gesellschaftliche Mitte sei gefordert wie nie - eine respektvolle Konfrontation sei nötig.
Die frühere Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warnte unterdessen vor der Wiederholung von Fehlern im Umgang mit der Pegida-Bewegung: „Jeder, der Flüchtlingspolitik kritisch gesehen hat, wurde schnell in die Ecke ‚Rechtsextremer‘ und Rassist‘ gestellt“, meinte sie - das dürfe nicht noch einmal passieren, warnte sie.
Zuletzt seien aber anders gelagerte und gegensätzliche Meinungen etwa in den öffentlich-rechtlichen Medien zu wenig beachtet worden. „Man muss damit sich auseinandersetzen, dann ist das besser für die öffentliche Diskussion.“ Verschwörungstheoretikern die behaupteten, die Pandemie sei von Bill Gates ersonnen worden, müsse man allerdings kein Podium geben, schränkte sie ihre Forderung ein.
Außerdem sprach die 50-Jährige über die Abstimmungsprobleme zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Lockerungsmaßnahmen sowie eine falsche Prioritätensetzung: „Ich kann niemandem erklären, warum Fitnessstudios wieder öffnen und Kitas noch zu sind“ - ein Thema, das vielen Menschen im Land auf der Seele brennt.
Corona-Demos Thema bei Polit-Talk: „Viele organisierte Rechtsextremisten“
Andererseits fällte der rbb-Journalist Olaf Sundermeyer ein klares Urteil über die Demonstrationen: Es gebe die Gefahr, dass sich das Geschehen völlig „von der tatsächlichen Situation und auch von der politischen Entscheidungslage“ loslöse. Zugleich seien nicht alle Teilnehmer organisierte Rechtsextremisten - „aber viele eben schon“.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach beurteilte die Lage der Demonstranten lakonisch. Wenn die Pandemie zurückkomme, sei klar, dass die Protestierenden wirklich „komplett unverantwortlich“ gehandelt hätten, erklärte er. Die andere Möglichkeit sei für die beteiligten Bewegungen genauso schlecht - wenn auf einen weiteren Lockdown verzichtet werden könnte, dann sei das Thema Geschichte.
Der Sozialdemokrat brachte ebenfalls das Beispiel Flüchtlingspolitik und gab zu Protokoll, im Vergleich dazu sei der Umgang der Bundesregierung mit Corona äußerst transparent: „Die Reproduktionszahl wird mittlerweile sogar auf dem Kinderkanal erklärt.“
Corona-Talk bei Anne Will: Medienwissenschaftler lobt Angela Merkel - FDP-Politiker fordert klaren Fahrplan
Pörksen hatte auch Lob für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) parat: Eine Blaupause für gelungene Krisenkommunikation sei ihre Rede zur Corona-Krise gewesen, erklärte der Medienwissenschaftler. Sie habe eine „Dilemma-Abwägung“ aufgezeigt und sich nicht nur auf Zahlen beschränkt, sondern auch anschauliche Geschichten geliefert - „alles richtig gemacht“, urteilte er. Das allerdings sei schon am 18. März gewesen.
FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte von der Politik einen klaren Fahrplan, um weitere Verstimmungen in der Bevölkerung zu vermeiden - etwa zur Öffnung von Kitas und Grenzen brauche es jetzt klare Termine. Tatsächlich hatte sich Außenminister Heiko Maas (SPD) am Sonntag genau darin versucht.
Coronavirus: Wagenknecht warnt bei Anne Will vor langer Krise - Lauterbach hat Forderung für „zweite Welle“
Wagenknecht hatte allerdings auch einen Zwischenruf parat, der wesentlich weniger zur Beruhigung Anlass gibt: Die Wirtschaftskrise in Deutschland sei nicht vorbei, wenn der Lockdown vorbei sei, warnte sie. Sie sei auch gar nicht primär vom Lockdown ausgelöst worden.
Der größte Teil der Schwierigkeiten komme aus der Industrie - „und es gab nie eine Auflage, dass die Industrie nicht produzieren darf“. Das Problem habe schon mit Zusammenbruch der Lieferketten aus China begonnen. Zugleich müssen die Menschen ihr Geld zusammenhalten, weil sie Angst haben. Dagegen müsse die Politik vorgehen.
Und auch Lauterbach hatte noch eine Mahnung nebst klarer Forderung vorzubringen. „Wahrscheinlich wird es eine zweite Welle geben“, sagte er - „und wenn wir dann das Feuer austreten, dann sollten wir das etwas konsequenter machen“. Wenn sich nur noch sehr wenige infizierten, dann könne man wesentlich mehr lockern. Auch ohne Corona-App.
Auf Lob stößt Angela Merkels Krisenpolitik neuerdings auch in Italien. Doch die Zukunft des deutsch-französischen milliardenschweren EU-Hilfsprogramms ist unklar.
Vorschau zu Anne Will (ARD): Corona-Talk mit Wagenknecht und Lauterbach - Lockdown verhältnismäßig?

Berlin - Dieser politische Streit geht ans Eingemachte: Die Politik will in der Corona-Krise zahllose Todesfälle durch Schutzmaßnahmen verhindern - doch unter anderem bei Großdemos in Deutschland schwelt der Zorn über diesen Kurs. Die zentrale Frage dabei wohl: Sind die Grundrechtseingriffe verhältnismäßig?
Debattiert wird dieses Thema am Sonntagabend auch bei Anne Will im Ersten. Die Liste der Gäste gibt ersten Aufschluss über die Schwerpunkte des ARD-Talks.
Anne Will diskutiert wieder Corona-Maßnahmen: Lauterbach und Wagenknecht dabei
Mit dabei ist unter anderem Karl Lauterbach - der SPD-Gesundheitsexperte ist ein erklärter Verfechter strikter Maßnahmen. Er hätte sich einen „südkoreanischen Weg“ gewünscht. Also das Senken der Infektionszahlen, bis Einzelfälle gut nachverfolgbar sind. Mit Sahra Wagenknecht ist auch eine weitere meinungsstarke Bundestags-Politikerin in der Runde vertreten.
Die juristische Perspektive, die - wie einige Gerichtsurteile zeigen - gerne mal etwas liberaler ausfällt als der Kurs der Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel, könnte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vertreten. Die frühere FDP-Justizministerin ist mittlerweile Richterin am Bayerischen Verfassungsgerichtshof.
Anne Will (ARD): Corona-Demos im Fokus - Rechtsextremismus-Experte in der Runde
Thema dürfte aber auch die teils bedenkliche Mischung der Corona-Demos werden: Der Medienwissenschafts-Professor Bernhard Pörksen von der Uni Tübingen hat sich bereits mehrfach zum Thema geäußert. Und der rbb-Investigativ-Reporter Olaf Sundermeyer gilt als Experte für rechtsextremistische und rechtspopulistische Umtriebe im Lande. Auch am Wochenende hatte es mehrere Corona-Demos in Deutschland gegeben.
Corona-Talk bei Anne Will: Pandemie bestimmt Sendeplan seit Wochen
Das Thema Corona bestimmt die Programmplanung bei Anne Will bereits seit einigen Wochen. Am vergangenen Sonntag (10. Mai) hatte die Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann eine ihrer Ansicht nach einfache Rechnung zum richtigen Umgang mit der Pandemie vorgestellt. Am Freitag legte sie mit einem Fachartikel nach - der die Richtigkeit der Maßnahmen nahelegt, gerade wegen niedriger Sterberaten*.
Noch eine Woche zuvor war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Sendung mit einer Forderung an das Robert-Koch-Institut auf starken Gegenwind gestoßen.
fn