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Ampel-Zoff um Entlastungen: Weil fordert deutliche Unterstützung für Rentner und Geringverdiener

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Von: Jens Kiffmeier, Mark Stoffers, Felix Busjaeger

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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil pocht auf ein drittes Entlastungspaket. Während die Ampel streitet, traut er dem Kanzler eine baldige Einigung zu.

Berlin/Hannover – Handeln statt reden: Angesichts massiver Preissprünge in Deutschland wird der Ruf nach einem neuen Entlastungspaket lauter. So hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Ampel-Koalition zu einer schnellen Einigung aufgerufen und in der Gaskrise auf zusätzliche Hilfen für Geringverdiener sowie für Rentnerinnen und Rentner gepocht. „Ich setze darauf, dass man sich zusammenrauft“, sagte der SPD-Politiker Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Die Lage sei „ernst“. Statt lange zu streiten, müsse der Staat den Menschen jetzt Orientierung geben. Kritik an der Führungsschwäche von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wies der Regierungschef aber zurück.

Gaskrise in Deutschland: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) pocht auf drittes Entlastungspaket

Seit Wochen herrscht in der Ampel-Koalition ein Zwist über das Vorgehen in der aktuellen Gaskrise. Nachdem Russland im Streit um die westlichen EU-Sanktionen im Zuge des Ukraine-Krieges die Liefermengen reduziert hat, steigen die Energiekosten in Rekordhöhen. In der Ampel-Koalition setzte sich deshalb allmählich die Erkenntnis durch, dass es ein drittes Entlastungspaket geben muss – obwohl bereits in diesem Jahr zwei Milliardenprogramme auf den Weg gebracht worden waren.

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Über den genauen Inhalt herrscht zwischen den drei Regierungsparteien aber Uneinigkeit. Während sich die FDP um Finanzminister Christian Lindner vor allem auf ein Steuerentlastungsgesetz konzentrieren und damit noch einmal alle Bevölkerungsgruppen entlasten will, drängen SPD und Grüne auf zielgenauere Hilfen für einkommensschwache Haushalte. Sie werfen den Liberalen vor, mit ihrem Konzept auch ohne Not die Topverdiener in der Krise zu entlasten.

Neues Entlastungspaket: Stephan Weil will Hilfen für Rentnerinnen und Rentner sowie für Geringverdiener

Auch Weil will bei der Neuauflage zum Entlastungspaket einen Schwerpunkt auf die Geringverdiener setzen. „Wir müssen uns im Moment um diejenigen kümmern, die richtig ernsthafte Sorgen haben“, sagte er im Interview. Das Problem sei, dass die bisherigen Entlastungspakete in Höhe von etwas mehr als 30 Milliarden Euro zwar wirken würden, aber gerade bei etlichen Geringverdienenden nur unterdurchschnittlich. „Dieser Fehler muss korrigiert werden“, forderte der niedersächsische Ministerpräsident. Er schlug vor, mehr Unterstützung für die Empfänger von Wohngeld, für Studierende, aber auch für Rentnerinnen und Rentner zu gewähren. Explizit sprach sich Weil im Interview für eine Energiepreispauschale für die Ruheständler aus.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ruft Ampel-Koalition zu einer schnellen Einigung auf.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ruft Ampel-Koalition zu einer schnellen Einigung auf. © Florian Gaertner/imago

Kalte Progression abschaffen: Lindner-Plan hat für Weil eine Berechtigung im neuen Entlastungspaket

Zugleich warnte er davor, den Vorschlag der FDP grundsätzlich zu verdammen. Die Abschaffung der kalten Progression, wie von Lindner angestrebt, habe unterschiedliche Facetten. „Wenn es darum geht, Gutverdienende zu entlasten, muss ich ihm widersprechen: Nein, das halte ich nicht für richtig“, sagte Weil. Aber dennoch müsse man auch sehen, dass ein großer Teil des Lindner-Plans sich an Menschen mit mittleren Einkommen richten würde. „In diesem Punkt kann ich gut mitgehen“, fügte der Regierungschef hinzu.

Damit liegt der Ministerpräsident auf einer Linie mit Kanzler Scholz. Dieser hatte in seiner Sommer-Pressekonferenz einen Kompromiss in Aussicht gestellt. Es würden viele Vorschläge auf dem Tisch liegen. Die werde man prüfen, zusammenrechnen und schlussendlich zu einem Paket zusammenschnüren, hatte Scholz gesagt und angefügt: „Das klappt.“ Bis Oktober versprach er eine Einigung.

Im Streit um ein neues Entlastungspaket nimmt Weil jetzt Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Schutz

Dennoch wurde Kritik laut. Politische Beobachter bezeichneten Scholz daraufhin als führungsschwach, weil er die Debatte innerhalb der Koalition unkommentiert weiterlaufen lasse, hieß es.

Weil wies die Zweifel an der Führungsstärke des Kanzlers aber zurück. Koalitionen seien immer dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Partner unterschiedliche Schwerpunkte setzen wollten. Ein Kompromiss sei in einer Dreier-Konstellation natürlich schwieriger als bei einem Zweier-Bündnis. „Da ich selber ja schon einige Jahre lang Koalitionen leite, weiß ich, dass man eine Koalition nicht über Machtworte führt, sondern durch gute, vernünftige Vereinbarungen“, stellte der Niedersachse klar, der sich im Oktober zur Wiederwahl stellen muss. Dies sei auch die Linie von Olaf Scholz, der vor großen Herausforderungen stehen würde.

„Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten eine ähnliche Situation erlebt haben, in der sich so viele Menschen berechtigterweise Sorgen darum machen mussten, ob sie mit ihrem Geld auskommen“, gab Weil zu bedenken. Deshalb müsse der Staat jetzt schnelle Antworten geben. Er sei sich aber sicher, dass die Ampel rechtzeitig den passenden Kompromiss finden werde.  

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