CDU-Mann fordert Überprüfung von Habecks Katar-Deal: „Zeit genug, um Alternativen zu suchen“

Nach der mutmaßlichen Katar-Korruption im EU-Parlament wächst der Druck auf die Bundesregierung. CDU-Politiker Dennis Radtke nimmt bei IPPEN.MEDIA Scholz und Habeck in die Pflicht.
Berlin/Straßburg – Am Montag traf sich das Europäische Parlament zur ersten Sitzungswoche nach dem lauten Knall. Die am Wochenende publik gewordenen Korruptionsvorwürfe belasten das Parlament. „Ich bin natürlich geschockt“, sagt der Europaabgeordnete Dennis Radtke (CDU) im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Das hält man für unerklärlich, dass jemand politische Entscheidungen gegen Geld verkauft.“
Seit Freitag haben belgische Ermittler sechs Personen festgenommen – unter ihnen Vize-Parlamentspräsidentin Eva Kaili. Gegen vier Personen wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft am Sonntag Haftbefehl erlassen. „Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt“, hieß es. Der mutmaßliche Drahtzieher: WM-Gastgeber Katar.
Die Ermittler vermuten, dass Katar mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versuchte, Entscheidungen des Europaparlaments zu beeinflussen. Dem Vorwurf der Korruption sieht sich das Emirat regelmäßig ausgesetzt. Daher drängt sich die Frage auf, ob auch fernab der EU mit katarischem Geld politischer Einfluss gewonnen werden sollte. Denn der kleine Golfstaat (halb so groß wie Hessen) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen geopolitischen Akteur gehievt.
„Zeit genug, um Alternativen zu suchen“: CDU-Politiker Radtke fordert Umdenken bei Katar-Deal
In Deutschland tütete Emir Tamim bin Hamad al Thani jüngst eine Energiepartnerschaft ein. Wirtschaftsminister Robert Habeck reiste dafür nach Doha. CDU-Mann Radtke fordert nun, den Deal zu überprüfen. Katar habe jetzt „mit einem Schlag“ sämtliche Vorurteile gegen das Emirat bestätigt. „Man muss sich daher die Frage stellen: Wollen wir eine neue Energieabhängigkeit und dabei Geschäfte mit einem Land machen, das versucht, sich Einfluss zu erkaufen?“
Der Gasdeal gilt ab 2026, die Bundesregierung hat laut Radtke daher „Zeit genug, um nach Alternativen zu suchen“. Dabei seien Kanzler und Vizekanzler gefordert. „Herr Scholz spricht gerne von Respekt, Herr Habeck gerne von Werten. Letztlich geht es jetzt darum, dass beide einmal schauen sollten, wie die Texte ihrer politischen Sonntagsreden im politischen Alltag passend sind.“

Versuchte Katar-Korruption auch in anderen Parlamenten? „Undenkbar ist da nichts“
Die Ermittlungen zur Korruptionsaffäre dauern an, es gilt die Unschuldsvermutung und die Ermittler behandeln mittlerweile nur die mutmaßliche Einflussnahme auf Instituionen der EU. Ob Katar auch auf andere Parlamente Einfluss nehmen wollte, ist bislang nicht bewiesen. Doch: „Undenkbar ist da nichts“, meint Radtke. Er und andere EU-Parlamentarier fordern daher einen Untersuchungsausschuss auf EU-Ebene.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit reagierte am Montag zurückhaltend auf eine Frage, die auf die Möglichkeit ähnlicher Fälle in deutschen Parlamenten abhob. „Nein, das würde mich doch sehr überraschen und wundern“, sagte er. Eine eigene Initiative der Bundesregierung, dies zu prüfen, seit jedenfalls nicht nötig. Dies sei Aufgabe der Parlamente und der Staatsanwaltschaften.
Radtke argumentiert, dass die (straf)rechtliche Bewertung nicht über die politische hinwegtäuschen dürfe. „Bei der generellen Frage, ob wir an dem Gasdeal festhalten wollen, sind erst einmal Herr Scholz und Herr Habeck gefordert. So billig kann es sich Herr Hebestreit da nicht machen.“
Katar-Korruption in der EU? Nächster Europapolitiker im Visier der Justiz
Ermittelt wird mittlerweile auch gegen den Belgier Marc Tarabella, wie Kaisi Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte am Sonntag seine Wohnung. Der Grünen-Politiker Daniel Freund, Co-Chef der EU-AG Anti-Korruption, ging schon am Samstag von weiteren Personen aus. „Ich befürchte fast, dass wir noch nicht am Ende der Ermittlungen sind“, sagte der Co-Chef der Arbeitsgruppe Anti-Korruption im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Um Interessen durchzusetzen, brauche man Mehrheiten. „Die Entscheidungen des Parlaments dreht man ja nicht mit einer Vizepräsidentin.“ (as)
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