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1,37 Euro pro Stunde: Verdienen Häftlinge in Deutschland zu wenig? Das klären jetzt Richter

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Von: Ines Alberti

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Ein Auszubildender arbeitet in der Bäckerei einer Justizvollzugsanstalt.
Ein Auszubildender arbeitet in der Bäckerei einer Justizvollzugsanstalt. © Carsten Rehder/dpa

In den meisten Bundesländern müssen Häftlinge in Gefängnissen arbeiten. Entlohnt werden sie dafür – jedoch nur spärlich. Jetzt ist das Thema vor Gericht.

12 Euro – was im Oktober zum stündlichen Mindestlohn in Deutschland werden soll, bekommen Häftlinge teilweise für ihre Arbeit in Gefängnissen für einen ganzen Tag. Zu wenig, finden die Betroffenen. Angemessen, finden die zuständigen Bundesländer. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die heikle Frage jetzt auf dem Tisch.

Am Mittwoch (27. April 2022) ging die Verhandlung los: Zwei Gefangene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten sich über die Vergütung im Gefängnis beschwert. In den beiden Ländern bekommen Gefangene – je nach Einstufung und Qualifikation – einen Stundenlohn zwischen 1,37 und 2,30 Euro, führte die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Doris König aus.

Zu wenig Lohn für Häftlinge? Arbeit im Gefängnis soll für „draußen“ fit machen

In Bayern und NRW gilt, wie in den meisten Bundesländern, eine Arbeitspflicht im Gefängnis. Die Häftlinge können sowohl in eigenen Betrieben der Justizvollzugsanstalten als auch dort in der Produktion für externe Unternehmen, den sogenannten Unternehmerbetrieben, eingesetzt werden. Einige machen auch eine Ausbildung oder holen ihren Schulabschluss nach.

Grundsätzlich soll die Arbeit hinter Gittern Häftlinge fit für den Arbeitsmarkt „draußen“ machen und dient damit vor allem der Resozialisierung. Mit dem Geld können die Gefangenen Extras wie Kaffee, Zigaretten oder auch Sportkleidung im gefängniseigenen Laden kaufen.

Häftlinge klagen über geringen Lohn: Länder weisen Vorwürfe zurück

Der Häftling aus Bayern, der gegen die Vergütung vorgehen will, teilte über seinen Anwalt mit, dass er mit seinem Verdienst die 34.000 Euro Schulden aus seinem Strafprozess so gut wie nie abbezahlen könne. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Außerdem stiegen auch im gefängniseigenen Laden derzeit die Preise – wie draußen auch – sprunghaft an.

Der Mann warf dem Staat vor, sich an den Gefangenen zu bereichern. „Menschen arbeiten nur so fleißig, wie sie dafür auch entlohnt werden“, erklärte er. Diesen Vorwurf warf der Vertreter des bayerischen Justizministeriums zurück. Die Produktivität der Gefangenen sei insgesamt gering, weil ein großer Teil keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung habe. Bayern mache keinen Gewinn mit der Arbeit von Gefangenen, vielmehr decke diese nur sieben Prozent der Ausgaben.

„Arbeit zahlt sich nicht aus“: Gefangenengewerkschaft fordert Mindestlohn für Häftlinge

Ähnlich argumentierte die Vertreterin des nordrhein-westfälischen Ministeriums. Die Arbeit von Gefangenen sei „objektiv nicht wirtschaftlich – das soll sie auch nicht sein“, sagte sie. So verursache ein Häftling pro Hafttag mehr als 169 Euro an Kosten für das Land. Ziel der Arbeit sei vielmehr, die Chancen auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erhöhen.

Ein Vertreter der Gefangenengewerkschaft forderte für Häftlinge den Mindestlohn und die Aufnahme in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung. Das einzige, was die Arbeit für einen Unternehmerbetrieb vermittle, sei ihm zufolge, „dass sie sich nicht auszahlt“. Gefangene könnten mit dem Geld weder Schulden abbezahlen, noch beispielsweise Unterhaltspflichten nachkommen.
Am Donnerstag will das Gericht noch weitere Sachverständige sowie Leiter:innen von Gefängnissen zu dem Thema hören. Ein Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt erwartet. (ial/AFP)

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